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Zeitungsartikel „Hilfe für gehörlose Menschen“

07.01.2019 | Schriftdolmetschen

Am Wochenende erschien im Neumarkter Tagblatt ein Artikel über meine Tätigkeit als Schriftdol-
metscherin. Auf dieser Seite können Sie den Artikel im Original nachlesen. Etwaige Fehler wurden nicht korrigiert.

Neumarkter Tagblatt, erschienen am 05./06.01.2019:

Hilfe für gehörlose Menschen

Leben – Schriftdolmetscherin Bianka Kraus setzt sich für die Inklusion von Hörbeeinträchtigten ein. Sie hilft tauben Neumarktern, sich bei beispielsweise bei Behördengängen oder Konferenzen einfach verständigen zu können.

Von Bernhard Neumayer

Bianka Kraus erinnert mit ihrer Sprachmaske ein wenig an die Figur Hannibal Lecter aus dem Film „Das Schweigen der Lämmer“. Der Sylencer, den sich die zertifizierte Schriftdolmetscherin um den Kopf an den Mund gebunden hat, dient aber nicht der Show. Das Gerät ist eines ihrer wichtigsten Utensilien, um Vorträge für gehörlose oder hörbeeinträchtigte Menschen simultan zu übersetzen.

In der Bundesrepublik leben nach Angaben des Deutschen Gehörlosen-Bundes etwa 80 000 Gehörlose. Die Zahl der Schwerhörigen ist deutlich höher. Laut Deutschem Schwerhörigenbund gibt es rund 16 Millionen Schwerhörige, etwa zwei Millionen davon leben in Bayern. Bei der Hörschädigung wird nach dem Grad des Hörverlustes unterschieden: Die Stufen reichen von leicht- mittel- und hochgradiger Schwerhörigkeit bis zur Taubheit.

Eva-Maria E. leidet unter hochgradiger Schwerhörigkeit. Bei der 38-jährige Neumarkterin wurde diese festgestellt, als sie dreieinhalb Jahre war und eine Mittelohrentzündung hatte. Um Menschen wie Eva-Maria E. die Kommunikation mit Ärzten und Behörden zu erleichtern, können sie einen Gebärdensprachdolmetscher oder einen Schriftdolmetscher in Anspruch nehmen. Gebärdensprachdolmetscher übersetzen Gehörtes in Gebärdensprache. Ein Schriftdolmetscher hingegen tippt die Aussagen nahezu simultan auf einer Computertastatur ab oder übersetzt diese, indem er in die Sprachmaske spricht. In beiden Fällen wird das Übersetzte in Schriftsprache auf einem externen Lesegerät angezeigt.

Simultanes Schriftdolmetschen

Die hochgradig schwerhörige Eva-Maria E. engagierte bereits für Elternabende der eigenen Kinder sowie bei Kommunion und Firmung eine Schriftdolmetscherin. Sie war sehr zufrieden und wird bei nächster Gelegenheit erneut dieses Angebot in Anspruch nehmen, wie sie mitteilt. „Beim Schriftdolmetschen hat man den Vorteil, sich alles noch einmal durchlesen zu können.“ Sie habe Probleme, sich so viel gleichzeitig zu merken. Von der Stadt Neumarkt wünscht sie sich, dass sie barrierefreier für Gehörlose wird.

Daran will auch Schriftdolmetscherin Bianka Kraus arbeiten. „Mir ist es ein großes Anliegen, dass Neumarkt barrierefreier für Hörgeschädigte wird“, sagt sie, während sie ein Video-Interview des Neumarkter Tagblatts mit Oberbürgermeister Thomas Thumann dolmetscht. In ihrer schwarzen Maske spricht Bianka Kraus in ein kleines Mikrofon. Ein Programm verschriftlicht die Aussagen der Dolmetscherin. Der Hörbeschädigte kann Thumanns gesprochene Sätze so auf einem externen Gerät simultan mitlesen.

Das Gehäuse des Sylencers dämpft dabei die Aussagen der Schriftdolmetscherin, so dass weitere Menschen im Raum nicht gestört werden. Bei Veranstaltungen mit mehreren Teilnehmern ist das ein großer Vorteil. Beispielsweise werden Schriftdolmetscher im Schulunterricht, bei Meetings in der Arbeit, bei dem Empfang von Sakramenten in der Kirche, bei Gerichtsverhandlungen, bei der Polizei und bei Arztbesuchen in Anspruch genommen. Die Kosten trägt nicht der Gehörlose, sondern verschiedene Träger, wenn ein bestimmter Grad der Schwerhörigkeit vorliegt. Beispielsweise übernehmen Krankenkasse, Diözese, Inklusionsamt oder Agentur für Arbeit die Dolmetscher-Gebühr.

Früher war das anders. Als die heute 40-jährige Susanne Kaßler noch ein kleines Mädchen war, musste sie für ihre gehörlosen Eltern übersetzen. Eine Dolmetscherin gab es nicht. „Wenn ich als Kind für meine Eltern bei Bewerbungsgesprächen oder Behördengängen übersetzt habe, wurde ich nicht ernst genommen.“ Dadurch sei sie aber schnell erwachsen geworden. Für sie war es aufgrund ihrer Mama und ihrem Papa damals normal, mit der Gebärdensprache zu kommunizieren – auch wenn sie früh bemerkt hatte, dass sich andere Familien in Lautsprache unterhalten haben. Für sie sei das kein Problem gewesen. Im Gegenteil. Kaßler ist heute Gebärdensprachdolmetscherin und übersetzt bei großen Anlässen in Neumarkt – wie zum Beispiel beim Bieranstich des Altstadtfestes.

Das Hörvermögen testen lassen

Susanne Kaßler wurde im vergangenen Jahr darüber hinaus für eine Vortragsreihe im Ärztehaus engagiert. Eingefädelt hatte dies Dr. med. Albin Kupfer. Der Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde ist zugleich Gehörlosenbeauftragter des Lions Club Neumarkt, den eine Patenschaft mit dem Neumarkter Gehörlosenverein verbindet. Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung als HNO ist Albin Kupfer für diese Aufgabe prädestiniert.

Als Vorsorge, um nicht an Schwerhörigkeit zu erkranken, rät er, sich die empfohlenen Impfspritzen geben zu lassen. Außerdem gehöre das Gehörlosen-Screening für Neugeborene zum Pflichtprogramm. Dabei wird das Hörvermögen getestet. „Es ist wichtig, Schwerhörigkeit frühzeitig zu erkennen“, sagt Kupfer. Dann könne man schnell reagieren – entweder mit einem Implantat oder einem Hörgerät. Manche Menschen sind schon von Geburt an gehörlos, andere erwerben die Taubheit erst im Laufe der Jahre, beispielsweise durch Infektionen oder Unfälle.

Auch bei Schriftdolmetscherin Bianka Kraus tauchen Menschen mit unterschiedlichem Hörvermögen auf. Darauf müsse sie eingehen. „Ist jemand von Geburt an gehörlos, muss ich einfache, kurze Sätze dolmetschen“, sagt die Neumarkterin, die seit 2013 als selbstständige Übersetzerin arbeitet. Ende Mai 2018 schloss sie zusätzlich ihre Ausbildung zur zertifizierten Schriftdolmetscherin ab. Ihr Unternehmen benannte sie um. Aus Translations wurde Transverba. Die Nische, als Schriftdolmetscherin zu arbeiten, hat Bianka Kraus erkannt. Denn die Nachfrage nach Übersetzern übersteigt in Bayern das Angebot.

Veranstaltung: Schriftdolmetscherin Bianka Kraus hält am 20. März ab 19 Uhr einen Vortrag zum Thema „Schriftdolmetschen – der Schlüssel zu einer barrierefreien Kommunikation“ in der Knabenrealschule Neumarkt.

Übersetzer: Zwei Schriftdolmetschern verschriftlichen den Vortrag simultan. Dadurch können auch Hörbeeinträchtigte und Gehörlose problemlos alles verstehen, was Kraus erzählt.

Hier der Link zu einem Video, das das Neumarkter Tagblatt von mir gemacht hat. In diesem erkläre ich, was man unter Schriftdolmetschen versteht und wie ein Schriftdolmetscher arbeitet.

Bildunterschriften:
Während Schriftdolmetscherin Bianka Kraus in ihre Maske spricht, werden ihre übersetzten Aussagen auf einem externen Gerät verschriftlicht.
Mit Transverba hat sich Bianka Kraus selbstständig gemacht.
Die 30-jährige Bianka Kraus ist Schriftdolmetscherin.
Fotos: Neumayer

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